Mut zur Wut – Spezialisierung: unterdrückter Ärger

 

 

Bei einem ein Großteil der Menschen, die sich in eine Therapie begeben, zeigt sich, dass es ihnen schwerfällt, aggressive Impulse in sich wahrzunehmen und zum Ausdruck zu bringen. Man kann die Fähigkeit eines Menschen sich zu wehren und klar „ja“ oder „nein“ zu sagen gar nicht hoch genug einschätzen. Gemeint ist, etwas abzulehnen oder etwas zu wollen und es sich zu nehmen. Andererseits geht es auch um unterdrückte Wutgefühle.

Sich wütend zu zeigen, weckt oft Ängste und Schuldgefühle im Menschen.

 

Menschen, die sich schwertun mit Wut und Aggression, tragen meist selbst ein Trauma, in Bezug auf Aggressionen, in sich. Sie haben in irgendeiner Form erlebt, dass Wut und Aggression etwas sehr Schlechtes für sie ist. Vielleicht war man gegen sie übergriffig oder sie durften Wut nie zeigen, sonst hätten sie noch mehr Aggression erleiden müssen. Also jede Form von Wut oder Abgrenzung war verboten. Wenn man seine Wut nicht mehr ausdrücken konnte, richtete man die Aggressionen gegen sich selbst. Und tat das mit sich, was man anderen antun wollte.

Manchmal fällt es schwer Kontakt zu seiner inneren natürlichen Aggression herzustellen, um sich notwendigerweise vor der Außenwelt zu schützen. Wenn jemand sich nur selten schützen kann nach außen und kaum eine Grenze zieht, lebt er in andauernder innerer Spannung (Angst) dass jemand es nicht gut mit ihm meint, ihn verbal angreift oder sonst in irgendeiner Form attackiert oder auch ignoriert, was auch als Übergriff empfunden werden kann.

Mit dieser inneren Anspannung kann man kaum auf seine inneren Ressourcen zurückgreifen:

  • gelassene objektive Beurteilung der Situation
  • innere Ruhe
  • psychische Belastbarkeit
  • Durchsetzungskraft
  • selbstwertschätzender Umgang mit sich selbst

Hinzu kommt, dass in einem dadurch die Tendenz entsteht, die Aggression immer nur im außen zu sehen und nicht bei sich selbst. Sich selbst hält man oft für einen liebevollen und aggressionslosen Menschen. Die eigenen Aggressionen werden in andere hineinprojiziert. Man lebt sie nicht selbst aus. Stellvertretend agieren die Außenstehenden es an einem aus.

Möglich ist auch, dass man plötzlich massiv aggressiv reagiert. Später kann man sich an seine eigene Reaktion nicht mehr erinnern oder wie es dazu kam und glaubt auch nicht, zu so etwas in der Lage zu sein.

Durch Aufrechterhaltung dieser inneren Spannung, richten wir unsere natürlichen Aggressionsimpulse nicht nach außen, sondern nach innen, gegen uns. Diese innere psychische Spannung verursacht langfristig Schmerzen in den Muskeln, durch Festhalten der Wut. Daraus entwickeln sich chronische Schmerzen, für die es keine medizinischen Ursachen gibt, da der Betroffene ansonsten ganz gesund ist. Die Aggression gegen sich selbst äußert sich in Form eines inneren Dialoges, bei der eine innere Kritiker-Stimme einen selbst massiv abgewertet. Diese Autoaggression gegen sich selbst zeigt sich auch, indem man überfordernde Leistungsansprüche an sich selbst stellt und diese erfüllen möchte. Da das meist kaum zu erreichen ist, findet wieder ein Prozess der Selbstabwertung statt. Bei einer Chronifizierung dieses Prozesses entwickelt sich daraus Minderwertigkeitsgefühle, Wertlosigkeit und mangelndes Selbstbewusstsein, sogar Depressionen.

Es geht nicht darum Wut und Aggression blind auszuagieren, sondern darum zu erkennen, dass Wut und Aggression Ausdruck einer Kraft sind, die Beziehung überhaupt möglich macht, indem man auf jemand zugeht mit Mut und Entschlossenheit. Besonders dann ist es notwendig gesunde Abgrenzung wieder zu aktivieren, wenn wir psychische Verletzungen in früheren Beziehungen oder in der Kindheit erlebt haben. Gesunde Aggression zeigt sich zum Beispiel in der Sicherung des eigenen oder fremden Überlebens. Oder der Verteidigung der eigenen Kinder gegen Aggression von außen. Weitere Formen von der Gesellschaft akzeptierte Aggressionen sind, engagierte Menschlichkeit z.B. Zivilcourage und sportlicher Wettkampf. Ebenso gilt dies bei der Verfolgung beruflicher Ziele, d.h. bei Rückschlägen wieder aufstehen, sich selber treu bleiben und weiter auf das Ziel zu zuarbeiten. Gesunde Aggression zeigt sich auch, indem man seinem Chef fachliche Kritik entgegenbringt.

Es geht darum, wieder Wut und aggressive Impulse in sich zu spüren und Stück für Stück zu gestatten, ohne von der Angst überwältigt zu werden, von den Aggressionen überflutet zu werden.